Promarca stellt fest, dass der Vorentwurf zentrale Punkte enthält, die bereits im Rahmen der letzten Revision aufgenommen und kaum umstritten waren. Dies erachten wir als positiv.
Es folgen unsere Anmerkungen zu den vorgeschlagenen Änderungen:
1. Revision von Artikel 5 KG
Im Gaba Urteil hat das Bundesgericht bestätigt, dass eine vertikale Abrede über einen absoluten Gebietsschutz und Preisfestsetzungen zweiter Hand im Sinne von Art. 5 Abs. 4 KG bei Widerlegung der Vermutung der Beseitigung des wirksamen Wettbewerbs grundsätzlich erheblich und damit unzulässig sind, sofern die Unternehmen den Nachweis wirtschaftlicher Effizienz nicht erbringen können.
Die Schweizer Bundesverfassung (BV) sieht in Artikel 96 vor, dass Massnahmen gegen Kartelle und andere Wettbewerbsverstösse nur bei gegebener volkswirtschaftlicher Schädlichkeit möglich sind. Eine Prüfung, ob die Auswirkungen einer Wettbewerbsbeschränkung volkswirtschaftlich oder sozial schädlich sind – was im Einzelfall festgestellt werden muss –, ist somit unabdingbar. Die Markenartikelindustrie unterstützt die Anpassung des Art. 5 dahingehend, dass bei der materiellen Prüfung von Wettbewerbsabreden immer sowohl qualitative als auch quantitative Kriterien zu berücksichtigen sind und so eine Gesamtbeurteilung aller Elemente erfolgt.
2. Zusammenschlusskontrolle
2.1 Wechsel zum SIEC-Test
Die Fusionskontrolle ist ihrem Wesen nach eine Strukturkontrolle: Sie soll präventiv wirken und künftige Wettbewerbsbeschränkungen verhindern. Die heutige schweizerische Fusionskontrolle ist jedoch kaum geeignet, dieses Ziel zu erreichen, da sie den wettbewerblichen Auswirkungen von Fusionen zu wenig Rechnung trägt. Die Wettbewerbskommission kann heute einen Zusammenschluss erst untersagen, wenn der Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung, durch die wirksamer Wettbewerb beseitigt werden kann, begründet oder verstärkt und keine Verbesserung der Wettbewerbsverhältnisse in einem anderen Markt bewirkt. Mit der Einführung des SIEC-Tests wird nicht nur eine Angleichung der Rechtslage am europäischen Kartellrecht erreicht, es ergibt sich auch eine tiefere Eingriffsschwelle. Die Markenartikelindustrie erinnert sich an die Übernahmen Migros/Denner und Coop/Carrefour, die beide, trotz der in beiden Fällen offensichtlich entstehenden wettbewerbsschädlichen Marktmachtpositionen, mit Auflagen zugelassen wurden. Die Mitglieder von Promarca stellen vermehrt fest, dass ihre wichtigsten Kunden – auch wenn sie anders heissen – immer denselben Genossenschaften angehören und sie als Lieferanten praktisch keine Ausweichmöglichkeiten haben, wenn sie ihre Produkte flächendeckend auf dem Schweizer Markt verkaufen wollen. Die Einführung des SIEC-Tests bietet der Wettbewerbskommission mehr Möglichkeiten, eine Fusion zu untersagen. Die Markenartikelindustrie erachtet darum die Einführung des SIEC-Tests als sinnvoll, weil sie davon ausgeht, dass weitere fusionsbedingte Konzentrationen – z.B. wie diejenige im Lebensmittel-Detailhandel – in Zukunft verhindert werden können.
2.2 Erleichterung Meldepflicht bei internationalen Zusammenschlüssen
Die Meldepflicht bei internationalen Zusammenschlüssen, die auch von der Europäischen Kommission beurteilt werden, soll unter bestimmten Voraussetzungen entfallen. So werden Unternehmen grundsätzlich von einer Doppelmeldung bei der Wettbewerbskommission und bei der EU-Kommission befreit. Die Markenartikelindustrie erachtet diesen Schritt als sinnvoll, trotz der bereits heute bestehenden Möglichkeit von erleichterten Meldungen. Es würde auf jeden Fall die Meldepflicht für Fusionen, die EWR-weite Märkte betreffen, effizienter gestalten. Es besteht aber ein Risiko, dass die Schweiz bei einem Zusammenschlussvorhaben von der Europäischen Kommission, das potenziell verstärkte Auswirkungen auf den Wettbewerb in der Schweiz hat, gänzlich ausgeschaltet wird. Es muss darum die Möglichkeit bestehen bleiben, dass die Schweiz ihre Zuständigkeit in einzelnen Fällen wieder beantragen kann. In der EU-Fusionskontrollverordnung (VO Nr. 139/2004 vom 20.1.2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen) sind ebenfalls Möglichkeiten zur Verweisung der Prüfungszuständigkeit an die Behörden der
Mitgliedstaaten vorgesehen. Es gibt keinen Grund, warum die Schweiz sich diesbezüglich schlechter stellen sollte als ein europäischer Mitgliedstaat. Der Artikel wäre in diesem Sinne zu vervollständigen.
3. Stärkung des Kartellzivilrechts
Mit dieser Änderung soll eine Ausweitung der Aktivlegitimation auf Konsumenten und juristische Personen des öffentlichen Rechts angestrebt werden. Die Markenartikelindustrie hatte sich bereits anlässlich der letzten Kartellrechtsrevision grundsätzlich für eine Ausweitung ausgesprochen, aber darauf hingewiesen, dass Auswüchse wie im amerikanischen Recht zu verhindern und eine Koordination mit dem EU-Kartellzivilrecht anzustreben ist. Die Gestaltung der Modalitäten sollte somit im Einklang mit der laufenden Reform der Zivilprozessordnung erfolgen.
4. Verbesserung des Widerspruchsverfahrens
Gemäss Artikel 49 Abs. 3 Bst. A KG kann ein Unternehmen geplante Verhaltensweisen, die als unzulässige Wettbewerbsbeschränkungen eingestuft werden könnten, der WEKO im Rahmen des Widerspruchsverfahrens melden. So entfällt eine Verwaltungsaktion, wenn nicht innert fünf Monaten ein Verfahren gegen das Unternehmen eröffnet wird. Mit den vorgeschlagenen Änderungen steigt der Anreiz für Unternehmen, vom Widerspruchsverfahren Gebrauch zu machen. Ausserdem sinkt das Sanktionsrisiko für Unternehmen, weil diese erst ab Eröffnung einer formellen Untersuchung ausgesprochen werden können. Die Markenartikelindustrie unterstützt die vorgeschlagenen Änderungen und es ist davon auszugehen, dass sie vermehrt vom Widerspruchsverfahren Gebrauch machen werden.
5. Kürzere Ordnungsfristen bei Verwaltungsverfahren
Die Einführung von Ordnungsfristen hat zum Ziel, dass von der Eröffnung der Untersuchung bis zum Vorliegen eines rechtskräftigen letztinstanzlichen Entscheids höchstens fünf Jahre vergehen dürfen. Grundsätzlich kann niemand etwas dagegen haben, wenn die Verfahren beschleunigt werden. Es stellt sich aber die Frage, ob formelle Ordnungsfristen das richtige Mittel sind, vor allem auch, weil Verfahren häufig aufwendig und komplex sind und die Qualität der Entscheide nicht darunter leiden darf. Zu beachten ist ausserdem, dass es in Europa keine vergleichbaren Ordnungsfristen gibt, welche die Länge eines Verfahrens begrenzen.
6. Einführung Parteientschädigung
Die vorgesehene Einführung einer Parteientschädigung für Unternehmen, die von einer Untersuchung betroffen sind, die eingestellt bzw. deren Entscheid aufgehoben wurde, wird von der Markenartikelindustrie unterstützt.
Zum Schluss möchten wir darauf hinweisen, dass die Markenartikelindustrie die Vorlage im Grossen und Ganzen als gelungen beurteilt. Einzig das Thema Compliance Defense hätte aus ihrer Sicht noch seine Berechtigung gehabt. Auch wenn es jedem Unternehmen obliegt sich gesetzeskonform zu verhalten, kann bestätigt werden, dass im Unterschied zu anderen Rechtsgebieten das Kartellrecht ein besonderes Bewusstsein bei den operativ tätigen Unternehmensvertretern erfordert. Die Möglichkeit einer Sanktionsreduktion hätte einen zusätzlichen
Anreiz geschaffen, hochwertige Compliance Massnahmen durchzuführen, was schlussendlich der Durchsetzung des Kartellrechts nur dienen würde.